Predigtreihe Jüdisch-christlich: näher als du denkst

Freude am Erwachsenwerden
Bar Mizwa beziehungsweise Firmung/Konfirmation
von Pfarrer Dr. Martin Streck vom 25. April 2021

Einführung
Der Friede des Herrn sei mit euch! Jubilate heißt der Sonntag heute. Jubelt. Wer kann am besten jubeln? Und: Worüber jubeln wir am meisten? Für diese zwei Fragen genügt eine Antwort: Kinder. Kinder jubeln am besten. Und: Kinder sind der beste Grund zum Jubeln. Aus Kindern werden Leut. Das feiern wir mit der Konfirmation. Die Juden feiern es auch. Bar und Bath Mizwa heißt es bei ihnen. Ansprache über Worte aus dem Propheten Jesaja (52, 7–10)
7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! 8  Deine Wächter jubeln mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt. 9 Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet  und Jerusalem erlöst. 10 Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Liebe Gemeinde, wie lieblich sind die Füße der Freudenboten. Die Füße wachsen. Schuhgröße 40, 42, 45. Doch die Stimme ist noch hell. Wenn ein jüdischer Junge 13 wird, ist er Bar Mitzwa. Das heißt Sohn des Gesetzes. Ab jetzt soll er die Gebote halten. Gleich am Sabbat nach seinem Geburtstag wird es gefeiert. Nur für ihn, nur selten in einer Gruppe. Die Familie, Freunde und Nachbarn kommen dazu in die Synagoge. Im Gottesdienst wird der Junge wird aufgerufen, er geht nach vorne und liest die Thora, einen Abschnitt aus den Mose-Büchern. Die Rollen sind groß. Sie liegen auf einem Tisch, wie unserem Altar. Er rollt sie auf und sucht die richtige Stelle
.Erst singt der Junge alleine ein Lied. Dann liest er vor. Hebräisch. 2500 Jahre alt ist diese Sprache. Zwei Jahre lang gehen die Kinder zuvor zum Rabbi, zur Rabbinerin. Bei ihm lernen sie Hebräisch .Ich habe eine Jugendliche gehört. Sie erzählte von ihrer Bat Mizwa. So heißt es bei Mädchen. Bar ist der Sohn. Bat ist die Tochter. Die Mädchen sind ein Jahr früher dran, mit zwölf. Womit fing das Mädchen an, als sie erzählte von ihrer Bat Mizwa? Le dor wa dor sagte sie. Von Generation zu Generation. Sie war sich bewusst, sie freute sich: Von den Müttern und Vätern im Glauben, von einer fast unendlich langen Reihe von Vorfahren hat sie es übernommen, um es weiterzugeben. Das Mädchen strahlte. Dabei war es schon ein paar Jahre her gewesen. Sie selber hatte die Synagoge geschmückt für ihre Bat Mizwa. Alle waren stolz auf sie: wie sie an den Tisch trat, die Thora aufrollte, wie sie alleine sang und alleine las und dann die Predigt hielt. Natürlich hatte sie Hilfe. Zwei Jahre lang ging sie zur Rabbinerin und lernte Judentum. Zu jedem Bibelvers, zu jedem Gebot gibt es Auslegungen. Unterschiedliche, widersprüchliche. Sie war gefragt, musste selber Position beziehen. So wie ihr, liebe Konfirmandinnen in den Bildern, die ihr ab nächsten Sonntag in der Kirche zeigen werdet. Da bezieht ihr Position, persönlich eure Position. Ob Mädchen, oder Junge, ab der Bat oder Bar Mizwa zählst Du! Zehn Juden müssen zusammenkommen. Dann kann ein Gottesdienst stattfinden. Ein Priester, eine Rabbinerin braucht es nicht.
Denn die zehn Frauen oder Männer wissen, wie es geht. Wären wir Juden, ich könnte nach Hause gehen. Ihr würdet weitermachen. Natürlich würde ich das nicht machen, wenn ich Jude wäre. Ich will ja Gottes Gebote hören und tun. Wie alle Töchter und Söhne des Gesetzes, alle Juden. Jede und jeder kann das Gebet leiten, sollte wissen, wie es geht. Darum lernen die Mädchen und Jungen in den zwei Jahren alle Feste, die im Jahreslauf gefeiert werden. Schauen wir uns das Bild noch einmal an. Es führt uns rund 200 Jahre zurück.
Ein bürgerliches Haus. Viele Menschen sind da. Die Menschen haben sich herausgeputzt. Am Tisch steht er, der Sohn des Gesetzes. Er redet. Zu Hause muss er noch einmal reden. Wieder über den Glauben. Und über die, die ihm den Glauben gelehrt haben: Eltern, Großeltern, der Rabbi. Er bedankt sich dafür. Le dor wa dor. Er ist noch klein. Doch er hält die rechte Hand hoch, selbstbewusst. Er will ins Leben gehen. Er fühlt sich gerufen. Er ist gefordert. Die Eltern und die anderen Erwachsenen auf dem Bild schauen hin oder denken nach. Links sitzt der kleine Bruder. Vielleicht ist er hungrig und denkt schon ans Essen. Rechts wird es aufgetragen. Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten. Schuhgröße 40, 42, 45. Die Stimme noch hell. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
Manchen Familien in Israel feiern Bar Mizwa und Bat Mizwa an der Klagemauer. Diese Mauer ist alles, was vom Tempel dort übriggeblieben ist, als Jerusalem vor langer Zeit in Trümmer fiel. Ein Ort des Gebets. Die Juden wurden oft verfolgt und vertrieben. Sie wurden ermordet. Und doch: sie leben. Gott hat sie erlöst und Jerusalem getröstet. Welche Freude, wenn an der Klagemauer eine junge Stimme laut wird, singt und liest, was Gott seinem Volk und uns geschenkt hat. Sein lebendig Wort und Gebot. Amen.